Arbeitsunfall – was tun? Sofortmaßnahmen, Haftung, Kosten: was Unternehmer wissen sollten

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Arbeitsunfälle sind Situationen, die wir stets zu vermeiden versuchen, doch wenn sie eintreten, ist es entscheidend zu wissen, was zu tun ist. Der folgende Blog Artikel konzentriert sich auf das Thema „Arbeitsunfall – was tun?“ und gibt Ihnen einen umfassenden Leitfaden, was im Falle eines Unfalls am Arbeitsplatz zu beachten und zu unternehmen ist. Von der Erstversorgung über die rechtlichen Schritte bis hin zum Umgang mit den Folgen – wir verraten Ihnen alle wichtigen Aspekte, die Sie im Ernstfall berücksichtigen sollten.

Arbeitsunfall – Was tun? Erste Maßnahmen für die Erstversorgung

Passiert ein schwerer Arbeitsunfall im Unternehmen, wird in der Regel ein Notarzt bzw. Rettungswagen über die Leitstellen-Nummer 110 oder 112 angefordert. Stehen ausreichend Kapazitäten bei der Polizei zur Verfügung, erscheint diese parallel am Unfallort. Bei tödlichen Unfällen kommen die Kriminalpolizei und der zuständige Unfallversicherer. Die Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft muss umgehend informiert werden.

Nach der internen Erste-Hilfe-Versorgung übernimmt der Notarzt / die Notärztin die Versorgung und veranlasst, dass das Unfallopfer per Rettungswagen oder Helikopter in das nächste Krankenhaus zur Weiterbehandlung gebracht wird.

Arbeitsunfälle sind Unfälle, die im direkten Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftreten. Dabei kann die versicherte Tätigkeit sowohl innerhalb als auch außerhalb des Betriebsgeländes ausgeübt werden. Arbeitsunfälle sind von Freizeitunfällen abzugrenzen, die sich im privaten Lebensbereich ereignen.

Nach einem Arbeitsunfall handeln: Notwendige Schritte und Informationspflichten

Die (Kriminal-)Polizei informiert dann das Gewerbeaufsichtsamt und parallel die Aufsichtspersonen des Unfallversicherungsträgers. Diese drei Institutionen ermitteln – meist in enger Abstimmung miteinander – wie es zu dem Unfall kam und ob das Unternehmen bzw. die Geschäftsführung seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, alles für den Schutz der Mitarbeitenden zu tun.

Dazu wird vor Ort das Unfallgeschehen rekonstruiert, Beweismaterial gesammelt und / oder beschlagnahmt, die Kollegen und Kolleginnen befragt und die Daten einer verantwortlichen Person (meist Geschäftsleitung oder Führungskraft) aufgenommen.

Gefahr im Verzug

„Gefahr im Verzug“: Eine Sachlage, bei der ein weiterer Schaden eintreten könnte, wenn nicht unmittelbar gehandelt wird.

 Die technischen Aufsichtspersonen des Gewerbeaufsichtsamtes und des Unfallversicherers lassen sich noch vor Ort die Dokumentationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz aushändigen:

  • die tätigkeits- oder arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung
  • die Ein-/Unterweisungsnachweise 
  • im Zusammenhang mit dem Unfall stehende Prüfnachweise (z.B. Überprüfung der elektrischen Anlagen, Maschinen, Gasgeräte, Rolltore, etc.).


Besteht „Gefahr im Verzug“, z.B. aufgrund eines Unfalls mit einer technischen Anlage oder Maschine, kann die Behörde den Betrieb oder Betriebs-/Anlagenteile vorübergehend stilllegen.

Haftung und Verantwortung: Wer trägt die Kosten nach einem Arbeitsunfall?

Die gesetzlichen Regelungen sind eindeutig: Im Falle eines Personenschadens übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften / Unfallkassen) den für den betroffenen Arbeitnehmer entstandenen Schaden und stellt den Arbeitgeber von einer Haftung frei. So sieht es das Sozialgesetzbuch vor. 

Hintergrund: Durch ihre finanziellen Beiträge in die Unfallversicherung sind Arbeitgeber von einer Haftung im Falle eines Personenschadens vollständig entlastet. Dieser Ausschluss gilt auch für Schmerzensgeldansprüche.

Für Sach- und Vermögensschäden der Geschädigten ist die gesetzliche Unfallversicherung in solchen Fällen nicht ersatzpflichtig. Hier haften die Arbeitgeber.

Laut Sozialgesetzbuch greift die gesetzliche Unfallversicherung im Falle eines Personenschadens nicht, wenn der Arbeitgeber den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Nur dann muss der Arbeitgeber den Schaden – plus Schmerzensgeld – erstatten, und zwar aus der eigenen Tasche. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entfällt die Haftungsbeschränkung nur dann wegen Vorsatzes, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall seines Eintritts gebilligt hat. Handelt der Unternehmer hingegen nur fahrlässig, bleibt er freigestellt.

Vorsatz oder fahrlässig?

Das ist nicht immer eindeutig, wie der Fall zeigt, den das Landesarbeitsgericht (LAG) in Rheinland-Pfalz kürzlich zu entscheiden hatte: Ein Produktionsmitarbeiter erlitt bei seiner Arbeit an einer Punktschweißanlage schwere Verletzungen an beiden Händen, nachdem sich ein Blech verkantet hatte. Der Mann forderte anschließend vom Arbeitgeber Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er argumentierte – der Wahrheit entsprechend: Die Produktionsanlage sei nicht entsprechend den Herstellerangaben aufgestellt worden, Sicherheitsvorkehrungen sowie eine TÜV-Abnahme fehlten, ein Kollege unterließ die Hilfeleistung. Angesichts dieses Fehlverhaltens habe der Arbeitgeber den Unfall billigend in Kauf genommen. Das Gericht sah dies anders: Der Arbeitgeber habe den Mitarbeiter in die Maschinenbedienung eingearbeitet und erklärt, wie er sich bei einer Störung zu verhalten habe. Die möglicherweise Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften wertete das Gericht als bewusste Fahrlässigkeit, nicht aber als Vorsatz. Das gelte auch, wenn eine schriftliche Anleitung zur Handhabung von Maschinenstörungen gefehlt und unter Umständen der Kollege seine Hilfe verweigert habe.

Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Arbeitsunfall 

In der Regel haben Arbeitnehmer/innen keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Arbeitgeber können nur in bestimmten Fällen dazu verpflichtet werden, ein Schmerzensgeld zu bezahlen. Dies erfolgt vor allem dann, wenn er einen Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat. In der Praxis ist es sehr schwer nachzuweisen, weil man allgemein davon ausgeht, dass jedem Arbeitgeber die Arbeitssicherheit und der Arbeitsschutz am Herzen liegen.

Folgenschwer: Was Arbeitsunfälle nach sich ziehen

Arbeitsunfälle verursachen nicht nur einen hohen administrativen Aufwand für die Geschäftsführung und die Personalabteilung, sondern können unter Umständen auch die Reorganisation und Umverteilung von Aufgaben auf der Projekt- oder Teamebene fordern. Dies geschieht vor allem dann, wenn die verunglückten Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig sind. 

Abgesehen von möglichen Sachschäden kommen noch weitere Kosten auf das Unternehmen zu:

  • Strukturierung und Einführung von Arbeitsschutzmaßnahmen:

Liegt keine Arbeitsschutzstruktur vor, sind die Kosten für die Einführung teilweise höher als bei einer präventiven Einführung. Wird beispielsweise nach einem Unfall ermittelt, dass eine geforderte Prüfung fehlt (z.B. Abnahme der Gas-Geräte), muss der Betrieb erst einmal einen Prüfer bzw. eine Prüferin finden, der zeitnah vor Ort die Geräte/Anlagen prüft. Gleiches gilt z.B. für eine kurzfristige Fortbildung von Mitarbeitenden.

  • Anordnungen durch das Gewerbeaufsichtsamt / Amt für Arbeitsschutz:

Nach einem Arbeitsunfall oder einer Betriebskontrolle werden Mängel (z.B. das Fehlen von ausgebildeten Ersthelfern oder elektrischen Prüfungen) durch eine schriftliche behördliche Anordnung beanstandet. Das Schreiben der Anordnung ist gebührenpflichtig (400-600 €). Mit der Anordnung ist eine Fristsetzung zur Umsetzung von Maßnahmen gemäß den beschriebenen Punkten verbunden. Verstreicht die Frist, können Zwangs- / Bußgelder von bis zu 15.000 € je Verstoß auferlegt werden. 

  • Regress/Schadensersatz: 

Unternehmerinnen und Unternehmer, die vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln bzw. erforderliche Handlungen zum Schutz ihrer Beschäftigten unterlassen und so einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit ihrer Beschäftigten herbeiführen, können von der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften / Unfallkassen / Landesverbände der DGUV und Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) in Regress genommen werden. Sie müssen also Schadensersatz als Verursacherin oder Verursacher an ihren Versicherer leisten. 

Grobe Fahrlässigkeit

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist im Gesetz wie folgt definiert: § 45 Abs. 2, Nr. 3 SGB X: „ […] grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.“ Er oder sie beachtet also das nicht, was jedem hätte einleuchten müssen. Wann genau ein Handeln oder Unterlassen grob fahrlässig ist, wird in jedem Einzelfall geprüft. So ist beispielsweise der Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften, die Beschäftigte vor tödlichen Gefahren schützen, als schwer einzustufen. Bei Abstürzen aus mehr als fünf Metern Höhe infolge ungenügender Sicherungen ist in der Regel grobe Fahrlässigkeit gegeben.

Auch wenn ein Arbeits- oder Wegeunfall von einem Dritten – also von einer Person außerhalb des Unternehmens – verursacht wurde, verlangt die Berufsgenossenschaft von dieser Person auch Ersatz für ihre Aufwendungen. Die Regresseinnahmen entlasten das Umlagesoll der Berufsgenossenschaft und bewirken damit eine Senkung der Mitgliedsbeiträge. Außerdem werden dadurch die Schädiger nicht unzulässigerweise entlastet, weil durch ihre verbotene Handlung ein Dritter für den Schaden einstehen muss.

Zusammenfassung: Arbeitsunfall – Was ist zu tun als Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Ein Arbeitsunfall stellt Unternehmen und deren Mitarbeiter vor zahlreiche Herausforderungen. Schnelles und korrektes Handeln ist essentiell, um die Gesundheit der Betroffenen zu sichern und rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es ist wichtig, adäquate Sicherheitsmaßnahmen und Notfallpläne im Voraus zu etablieren, um im Falle eines „Arbeitsunfall – was tun?“ Szenarios bestens vorbereitet zu sein. Genauso entscheidend ist die Kenntnis über die Rechte und Pflichten, die sich aus einem Unfall ergeben. Dieser Leitfaden soll Ihnen dabei helfen, im Ernstfall richtig zu agieren und langfristige Folgen für alle Beteiligten zu minimieren.